Ursache
Um die Pathogenese des Hyperadrenokortizims zu verstehen, ist ein kurzer Ausflug in die Physiologie nötig. Vereinfacht funktioniert die Stressantwort im Körper wie folgt: Bei Stresseinwirkung wird der Hypothalamus (zentrales Steuerorgan des Hormonhaushalts im Hirn) stimuliert und entsendet ein Hormon (CRH), welches auf die Hypophyse (Hirnanhangsdrüse) wirkt. Diese wiederum setzt dadurch ein weiteres Hormon (ACTH) frei, welches auf die Nebennieren wirkt, die schließlich das auf den Stoffwechsel wirkende Kortisol produzieren. Bei einem gesunden Tier hemmt Kortisol im Gegenzug die ACTH-Produktion, was zu einem hormonellen Gleichgewicht führt.
Weiters werden bei Stress über das vegetative Nervensystem auch Adrenalin und Noradrenalin produziert (keine Bedeutende Rolle beim Hyperadrenokortizismus) sowie die Produktion von Geschlechtshormonen reduziert.
Die häufigsten Ursachen einer übermäßigen Kortisolproduktion und in Folge die Ausprägung eines Hyperadrenokortizismus beim Hund sind folgende:
ACTH-abhängig
· Hypophysentumor: In 80-85% der Fälle liegt ein gutartiger Hirntumor (Adenom der Hypophyse) vor. Dieser Tumor produziert unkontrolliert ACTH, was schließlich die Nebennierenrinde zu einer übermäßigen Kortisolproduktion anregt und zu einer beidseitigen Hyperplasie (Vergrößerung) dieser führt.
· ektoper ACTH-produzierender Tumor: beim Hund im Gegensatz zum Menschen sehr selten (1 Fallbericht).
· CRH-produzierender Tumor: beim Hund noch nicht beschrieben.
ACTH-unabhängig
· Nebennierentumor: In 15-20% der Fälle liegt ein Tumor der Nebenniere vor. Dieser kann entweder gutartig (Adenom) oder bösartig (Karzinom) sein und ist in den meisten Fällen (90%) einseitig. Dieser Tumor produziert ohne ACTH-Einwirkung Kortisol.
· iatrogen („vom Arzt erzeugt“): durch eine lange und/oder hohe exogene (von außen) Zufuhr von Kortisol durch beispielsweise Medikamente kommt es zur klinischen Ausprägung eines Hyperadrenokortizismus, wobei der Körper selbst kein Kortisol produziert.
Symptome
Die Symptome eines Hyperadrenokortizismus können vielfältig und unspezifisch sein, was die Diagnose erschwert. Je nach Dauer können sie unterschiedlich stark ausgeprägt sein und müssen auch nicht alle auftreten. Zu den häufigsten gehören:
- Die 5 „Ps“
- Polyurie (vermehrtes Trinken)
- Polydispie (vermehrter Harnabsatz)
- Polyphagie („unstillbarer“ Appetit)
- Pot belly (Umverteilung des Fetts auf den Rumpf)
- Panting (Hecheln)
- Haut-/ Fellveränderungen
- Hypotrichose (schütteres Haarkleid, kein/langsames Nachwachsen nach Schur)
- Alopezie (Haarverlust, v.a. an Rute und am Rumpf)
- veränderte Fellstruktur (oft borstig/drahtig)
- dünne Haut
- schlechte Wundheilung
- Zunahme des Körpergewichts trotz unveränderter Futteraufnahme
- Muskelabbau, Muskelschwäche
- Müdigkeit
- Ausbleiben der Läufigkeit bei der Hündin
- Schrumpfen der Hoden beim Rüden
- neurologische Symptome (u.a. Veränderung des Verhaltens, Unruhe, Desorientiertheit, Kreisgehen)
Diagnose
Die Diagnose des Hyperadrenokortizismus erfordert mehrere diagnostische Tests, da die Erkrankung sehr komplex ist und die Symptome auch bei anderen Erkrankungen auftreten können. Wichtig ist, dass erst eine diagnostische Abklärung erfolgt, wenn auch passende klinische Symptome vorliegen
Blutuntersuchung: Blutbild und Organwerte können Hinweise auf die Erkrankung und/oder mögliche Begleiterkrankungen geben. Mittels verschiedener Hormontest kann ein Hyperadrenokortizismus ein-/ ausgeschlossen werden.
Harnuntersuchung: Eine Harnuntersuchung kann ebenfalls Hinweise auf die Erkrankung und/oder mögliche Begleiterkrankungen geben. Vor allem die Messung der Dichte und das Vorhandensein von Kortisol im Urin sind wichtige Indikatoren.
Bildgebende Diagnostik: Mittels Ultraschall werden vor allem die Nebennieren angeschaut (Vergrößerung, Tumor). Ein CT des Bauches kann vor allem bei großen Hunden indiziert sein, da die Nebennieren mittels Ultraschall oft nur eingeschränkt beurteilbar sind. Schließlich kann ein MRT den Verdacht auf einen Hirntumor bestätigen. Allerdings können Hypophysentumore auch vorhanden sein, ohne dass sie im MRT sichtbar sind.
Therapie
Konservative Therapie
Bei übermäßiger Hormonproduktion ist Trilostan das Medikament der Wahl. Es ist ein synthetisch hergestelltes Steroidanalogon, das die Synthese von Steroidhormonen (u.a. Kortisol) in den Nebennieren hemmt. Diese Therapie ist besonders bei Hunden mit Hypophysentumoren häufig die erste Wahl.
Bestrahlung
Bei Hypophysentumoren kann eine Strahlentherapie sinnvoll sein, um das Wachstum des Tumors zu kontrollieren. Dies ist mit mehreren Narkosen verbunden und wird nur in Spezialeinrichtungen angeboten. Die Bestrahlung hat meist keinen oder nur geringen Einfluss auf die überschießende Hormonproduktion, weshalb eine zusätzliche medikamentöse Therapie erforderlich ist.
Operation
Bei einem Tumor der Nebenniere kann eine chirurgische Entfernung in Erwägung gezogen werden. Dabei ist vorab zu klären, ob bereits ein Einwachsen in umliegende Gefäße oder Gewebe erfolgt ist, da dies zu Komplikationen während der Operation führen kann. Außerdem ist vorab ein Metastasenscreening (Thoraxröntgen /-CT) angeraten. Die Operation selbst ist mit einer hohen Sterberate verbunden, da es bei und nach dem Eingriff zu Komplikationen kommen kann.
Auch ein Tumor der Hypophyse kann operiert werden. Dies ist aber ein äußerst komplizierter Eingriff und wird weltweit nur von wenigen Einrichtungen angeboten.
Prognose
Die Prognose für Hunde mit Hyperadrenokortizismus hängt von der Ursache und dem Stadium der Erkrankung ab. Mit der richtigen Behandlung können viele Hunde eine gute Lebensqualität erreichen und ein normales Leben führen. Die Behandlung ist aber idR kostenintensiv und Hunde mit der Diagnose „Hyperadrenokortizismus“ müssen regelmäßig tierärztlich kontrolliert werden, um die richtigen Medikamentendosierungen zu gewährleisten und Nebenwirkungen zu minimieren. Bei unerkannter oder unbehandelter Erkrankung kann es jedoch zu Komplikationen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Bauchspeicheldrüsenentzündung oder Thrombosen kommen. Eine frühzeitige Diagnose und eine geeignete Therapie sind entscheidend, um das Wohlbefinden des Hundes zu sichern und die Lebensqualität zu verbessern.
Die mediane Überlebenszeit beträgt mit Therapie 2-3 Jahre mit Therapie, wobei Individuelle Schwankungen bestehen.
Quellen
- Stephen J. Ettinger, Edward C. Feldman, Etienne Cote (2017): Textbook of Veterinary Internal Medicine. Elsevier, St. Louis, 8. ed.
- Kohn, Barbara; Schwarz, Günther (2017): Praktikum der Hundeklinik. Enke Verlag, Stuttgart, 12. Aktualisierte Auflage.
- Von Engelhardt, Wolfgang; Breves, Gerhard; Diener, Martin; Gäel, Gotthold (2015): Physiologie der Haustiere. Enke Verlag, Stuttgart, 5. Vollständig überarbeitete Auflage.