Home » Lexikon » Epilepsie bei Hund und Katze

Mag. Sabine Strauß

Allgemeinmedizin, Schmerztherapie, Physiotherapie

INHALTSVERZEICHNIS

Epilepsie gehört zu den häufigsten chronisch-neurologischen Erkrankungen beim Hund. Sie betrifft ca. 2 % aller Hunde. Katzen sind seltener betroffen.
Unter einem Krampfanfall (= epileptiformer Anfall) versteht man  sich ausbreitende elektrischen Aktivitäten im Großhirn, welche plötzlich anfangen und wieder enden und die i.d.R. durch Muskelzuckungen sichtbar werden. Es können mehrere Wiederholungen in regelmäßigen oder unregelmäßigen Abständen auftreten.
Vom Krankheitsbild der Epilepsie spricht man, wenn mindestens zwei Krampfanfälle ohne erkennbare Ursache spontan aufgetreten sind. Sowohl die Diagnostik, als auch die Behandlung stellen oftmals eine Herausforderung dar.

Ursache

Man unterscheidet zwischen einer angeborenen Epilepsie und einer im Laufe des Lebens erworbenen Epilepsie. Die Ursachen für Epilepsien sind vielfältig.

In der Veterinärmedizin unterscheidet man mehrere Formen der Epilepsie. Sie muss von reaktiven Krampfanfällen, die z.B. nach einer Vergiftung auftreten können, abgegrenzt werden.

Formen der Epilepsie

  • Idiopathische (primäre, genetische) Epilepsie

Die idiopathische Epilepsie ist eine funktionelle Erkrankung und stellt die häufigste Ursache beim Hund dar. Der Auslöser ist bis heute ungeklärt, es wird eine vererbbare genetische Ursache vermutet.

Für zahlreiche Rassen ist ein gehäuftes Vorkommen einer idiopathischen Epilepsie beschrieben. Eine gesicherte Identifikation eines Gendefekts konnte bisher jedoch nur beim Lagotto Romagnolo und beim Rhodesian Ridgeback nachgewiesen werden. Bei Australian Shepherd, Beagle, Belgischer Schäferhund, Berner Sennehund, Border Collie, Border Terrier, Dackel, Deutscher Schäferhund, Englischer Springer Spaniel, Finnischer Spitz, Golden Retriever, Irischer Wolfshund, Wolfsspitz, Labrador Retriever, Petit Basset Griffon Vendeen, Pudel und Vizsla werden erbliche Komponenten vermutet.

  • Symptomatische (auch intrakranielle oder sekundäre) Epilepsie

Auslöser für wiederkehrende Anfälle sind Krankheiten des Gehirns mit einer strukturellen Ursache. Eine Entzündung, ein Infarkt, ein Schädel-Hirn-Trauma, ein Tumor, eine Anomalie oder eine Gehirnstoffwechselstörung können Ursache für eine symptomatische Epilepsie sein.

  • Kryptogene Epilepsie

Bei dieser speziellen Form der Epilepsie wird eine strukturelle Ursache vermutet, jedoch kann keine nachgewiesen werden.

  • Reaktiver (extrakranieller) Krampfanfall

Ein reaktiver Krampfanfall hat seine Ursache im extrakraniellen (also außerhalb des Gehirns liegenden) Bereich. Dabei können sowohl stoffwechselbedingte (metabolische), als auch toxische Ursachen (Vergiftungen) vorkommen. Zu den metabolischen Ursachen zählen eine gestörte Leberfunktion, eine Unterzuckerung oder Veränderungen im Calciumhaushalt. Eine der häufigsten toxischen Ursachen ist die sogenannte „Mistvergiftung“, ausgelöst durch Schimmelpilzgifte.

ACHTUNG:  Eine Synkope (Ohnmachtsanfall) sollte man nicht mit echter Epilepsie verwechseln.

Eine Synkope stellt einen plötzlichen, kurz anhaltenden Kollaps durch eine Sauerstoffunterversorgung des Gehirns dar. Dabei kommt es zu einer Bewusstlosigkeit mit Erschlaffung der Muskulatur und in der Erholungsphase kann es zu krampfartigen Körperbewegungen kommen. Kurz gesagt: der Hund fällt plötzlich um, ist kurz bewusstlos und steht dann nach wenigen Sekunden wieder auf und geht weiter, als wäre nichts geschehen.

Anfallstypen

• Generalisierter Anfall (am ganzen Körper krampfend)

• Fokaler Anfall (nur einzelne Bereiche des Körpers sind betroffen, z.B. nur Zuckungen im Gesicht)

• Unklassifizierbarer Anfall

Spezielle Formen

• Clusteranfälle: Als Clusteranfall bezeichnet einen sogenannten „Serienanfall“, definiert als mehr als zwei Anfälle innerhalb von 24 Stunden. Dabei zeigt der Hund zwischen den Anfällen eine (nahezu vollständige) Erholung.

• Status epilepticus: Als Status epilepticus bezeichnet einen sogenannten „Dauer-Krampfanfall“, aus dem der Hund von alleine nicht mehr heraus kommt. Diese Situation stellt daher einen Notfall dar und muss mittels intravenöser Therapie unterbrochen werden. Daher sollte bei Anfällen mit einer Dauer von über 5 Minuten immer ein Tierarzt kontaktiert werden.

Symptome

Ein epileptiformer Anfall verläuft beim Hund und bei der Katze in vier verschiedenen Phasen ab.

• Prodromalstadium: Im Prodromalstadium zeigen Tiere bereits Stunden bis Tage vorher charakteristische Vorzeichen oder Frühsymptome. Gekennzeichnet ist dieses Stadium durch feine Wesensveränderungen:  zB. Starren ins Leere, Schnüffeln. Die Patienten sind Minuten bis Stunden vor dem Anfall unruhig, lecken die Lippen, sie speicheln und urinieren vermehrt. Manche Tiere ziehen sich zurück oder suchen die Nähe ihres Halters und bellen übermäßig. Dieses Stadium kann mehrere Stunden bis Tage dauern, fehlt oft oder wird vor einem Anfall übersehen.

• Aura: Die Aura dauert nur wenige Sekunden bevor der Anfall beginnt. Hierbei zeigen die Tiere oft Verhaltensveränderungen durch die abnormale elektrische Aktivität im Gehirn.Sie ist oft schwierig von den anderen Phasen abgrenzbar und zeichnet sich durch ausgeprägtes Angstverhalten wie Ruhelosigkeit, Schreckhaftigkeit, Anhänglichkeit oder Bellen aus. Ihre Dauer beträgt wenige Sekunden bis einige Minuten.

• Iktus: Der eigentliche Anfall. Er beginnt häufig mit örtlichen Zuckungen, welche später in generalisierte Krämpfe mit tonisch-klonischen Zuckungen, Kieferschlagen, Speicheln, unkontrolliertem Harn- und Kotabsatz und Bewusstlosigkeit übergeht. Meist dauert diese Phase einige Sekunden bis Minuten. In dieser Phase können folgende Anzeichen Auftreten: Muskelzuckungen, Zittern, Kaubewegungen, Halsüberstreckung, Kopfschiefhaltung, Koordinationsstörungen, Halluzinationen (Fliegenschnappen, Raserei, Bellen oder Schwanzbeißen); Speicheln, Unkontrollierter Harn-/Kotabsatz, Pupillenveränderung, Desorientierung, Bewusstseinsverlust, Tonische, klonische oder tonisch-klonische Krämpfe sowie Zuckungen.

• Postiktale Phase: Die postiktale Phase ist die Erholungsphase nach dem Anfall. Diese kann mehrere Minuten bis Tage dauern. Beobachtete Symptome sind: Blindheit, Aggressivität, Orientierungslosigkeit, Unruhe, Müdigkeit,  Drangwandern oder  vermehrter Durst oder Appetit.

Diagnose

Ist sich ein Patientenbesitzer nicht sicher, ob es sich bei seinem Tier um einen epileptischen Anfall handelt oder nicht,  raten wir gerne dieses „Verhalten“ mittels eines Handy-Videos aufzuzeichnen und dem jeweiligen Tierarzt zu zeigen. Somit kann sich der Tierarzt gleich einmal ein Bild von den Symptomen machen und im besten Falle erkennen, ob es sich um einen epileptischen Anfall handelt, oder auch  nicht. Dies ist insofern sehr essentiell, da nicht jeder epileptische Anfall mit so klassischen Symptomen einhergeht wie oben beschrieben. Die Symptome sind zum Teil vielfältig und nicht immer so leicht zu interpretieren beziehungsweise als Anfall zu erkennen.

Eine Diagnose der verschiedenen Arten der Epilepsie erfolgt mittels Ausschlussverfahren. Am Anfang stehen eine sorgfältige Erhebung der Anamnese (Vorgeschichte), eine klinische und eine neurologische Untersuchung.

Metabolische Ursachen können durch eine komplette Blutuntersuchung mit Blutbild inklusive Säure-Basen-Status und Erhebung der Elektrolyte ausgeschlossen werden.

Zur Unterscheidung der Epilepsieformen werden bildgebende Verfahren wie MRT oder CT zur weiteren Diagnostik herangezogen. Zusätzlich kann man über eine Untersuchung des Gehirnwassers (Liquor) Informationen über eventuell ursächliche Infektionserreger oder Entzündungen erhalten.

Erst durch den Ausschluss aller anderen Ursachen für Krampfanfälle kann von einer idiopathischen Epilepsie ausgegangen werden.

Magnetresonanz vom Kopf eines Hundes
Magnetresonanz vom Kopf eines Hundes
MRT Befund Besprechung
MRT Befund Besprechung

Therapie

Abhängig von der Ursache wird die Behandlung der Epilepsie bestimmt.

Eine Therapie ist nötig, wenn mehr als 2 Anfälle innerhalb von 3 Monaten auftreten, sowie bei einer verlängerten Dauer der Anfälle, bei Clusteranfällen oder im Status epilepticus.

Eine idiopathische Epilepsie kann durch krampflösende Medikamente (sogenannete Antiepileptika) eingestellt werden, um die Anfälle zu vermindern, zu kontrollieren oder bestenfalls gänzlich zu verhindern. Eine Heilung ist damit allerdings nicht möglich.

Antikonvulsive (krampflösende) Medikamente werden im Status epilepticus bzw. bei Clusteranfällen zunächst vom Tierarzt intravenös oder rektal verabreicht, um den Anfall zu stoppen. Die Gabe von rektalen Ampullen kann auch der Besitzer als Notfallmedikament zu Hause durchführen. Im Anschluss wird der Hund auf eine orale Tablettengabe eingestellt. Hierbei kann auch eine Kombination von Medikamenten eingesetzt werden.

Nachkontrollen mit Blutspiegelbestimmung sind bei bestimmten Antiepileptika sehr wichtig, um die richtige Dosierung für das jeweilige Medikament festzulegen. Ein Anfalls-Tagebuch stellt ein zusätzlich hilfreiches Mittel dar.

Symptomatische oder intrakranielle Epilepsien werden nach der Grunderkrankung behandelt. Bei Tumoren können Bestrahlung, Chemotherapie oder Operationen möglich sein. Bei Infektionen ist die Therapie abhängig von der Art der Infektion. Entzündungen ohne Infektionserreger werden vielfach mit Immunsuppressiva, zB Kortison behandelt. Antiepileptika werden zusätzlich gegeben, solange es nötig ist.

Prognose

Die Prognose ist abhängig von der Ursache der Anfälle bzw. der Epilepsie.

Ein Tier, welches an einer idiopathischen Epilepsie erkrankt ist, zeigt eine verkürzte Überlebenszeit verglichen mit einem gesunden Tier. In einer Studie von Berendt et al. (2007) zeigten die Epileptiker eine mittlere Überlebenszeit nach Erstdiagnose von 7 Jahren.

Tiere, die sich medikamentell gut einstellen lassen, haben eine längere Überlebenszeit. Vor allem Katzen sind oft schwierig medikamentiell einzustellen. Bei diesen Tieren müssen, um überhaupt eine Chance auf Verbesserung zu erzielen, oft mehrere Antiepileptika verwendet werden.

Allerdings sind ca. 1/3 aller Epileptiker therapieresistent und haben eine sehr vorsichtige bis schlechte Prognose.

Quellen

  • Berendt et al. (2007) Premature Death, Risk Factors, and Life Patterns in Dogs with Epilepsy
  • Fischer A. (2013) Die idiopathische Epilepsie des Hundes
  • Niemand H.G., (10.Auflage) Praktikum der Hundeklinik
  • Löscher W., Ungemach F.R., Kroker R. (7.Auflage) Pharmakotherapie bei Haus- und Nutztieren

 

 

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