Home » Lexikon » Verhaltensstörungen beim Hund

Mag. Karin Sonnberger

Interne Medizin, Verhaltensmedizin, Ultraschall

INHALTSVERZEICHNIS

Schon seit Jahrhunderten ist der Hund der beste Freund des Menschen – und doch kann sich das Zusammenleben zwischen Zwei- und Vierbeinern aus verschiedenen Gründen schwierig gestalten. In diesem Artikel möchten wir Ihnen einige der häufigsten Verhaltensstörungen und -auffälligkeiten und bei Hunden vorstellen.

Ursache und Symptome

Angstprobleme

Angstprobleme gehören mit Abstand zu den häufigsten Verhaltensstörungen bei Hunden.

Generell unterscheiden muss man hierbei zwischen Furcht = einer Angst vor einem bestimmten Reiz oder Auslöser und einer generalisierten Angst = Angst als ständigen Begleiter und Gemütszustand, ohne dass sich dafür ein bestimmter Reiz feststellen ließe.

Furcht kann zum einen aus schlechten Erfahrungen mit bestimmten Orten, Gegenständen oder Situationen resultieren – oder aber auch daher, dass Ihr Hund eben diese niemals kennengelernt hat. Beides kann dazu führen, dass sich ein Hund z.B. vor Autos, Menschen mit Hut, schnellen Bewegungen, lauten Geräuschen, anderen Hunden u.s.w. fürchtet.

Generalisierte Angst entsteht zum einen aus einer Furcht vor einem oder mehreren konkreten Reizen, die langsam überhandnimmt und sich auf immer weitere, zusätzliche Reize ausbreitet. Hatte der Hund z.B. erst nur Angst vor Silvesterknallerei, dann auch vor Gewittern und schlussendlich auch vor Töpfeklappern und anderen lauten Geräuschen.  In diesem Fall  hat sich aus der ursprünglichen Furcht eine allgemeine Geräuschangst entwickelt. Zum anderen können aber auch Hunde, die in ihren ersten Lebenswochen- und Monaten wenig verschiedene Eindrücke und Dinge kennen gelernt haben, eine generalisierte Angststörung entwickeln.

Eine der häufigsten Ängste ist die sogenannte „Trennungsangst“ (Angst vor dem Alleinbleiben). Hierbei gibt es Hunde, die still leiden (und deren Probleme daher oft erst spät oder gar nicht erkannt werden), indem sie z.B. stundenlang nervös die Tür anstarren, und dann völlig überdreht und erschöpft sind, wenn Herrli oder Frauli Heim kommen. Demgegenüber stehen die Hunde, die ihre Angst durch Bellen, Unsauberkeit oder Zerstörungswut äußern und Schuhe oder Tischbeine zerkauen. Beide Formen der Trennungsangst sollten in jedem Fall mit einem guten Training und unterstützenden Maßnahmen therapiert werden.

Generell gilt: Hunde, die im Alltag übermäßig unter Angst oder Furcht leiden, haben meist einen sehr hohen Leidensdruck, auch wenn sich die Symptome oft ganz harmlos darstellen. Im Extremfall zeigt sich die Angst durch Zittern, Bellen, Zurückziehen und Verkriechen oder gar Harn und Kot lassen. Viel häufiger allerdings lässt ein Hund seine Angst nur durch eine steife Körperhaltung und angespannte Mimik erkennen und ist unfähig, sich einer Situation aus eigener Kraft zu entziehen. Eine Angststörung sollte in jedem Fall ernst genommen und verhaltensmedizinisch behandelt werden.

Aggressives Verhalten

(z.B. gegen Besitzer, fremde Menschen, Artgenossen; bei Manipulation; in Angstsituationen; zur Verteidigung von Ressourcen)

Aggressives Verhalten gehört zum natürlichen Verhaltensrepertoire eines jeden Hundes und dient grundsätzlich der Distanzvergrößerung zum auslösenden Reiz (z.B. einem anderen Hund oder einem Menschen). Bei Aggression im richtigen Kontext handelt es sich also um ein durch den Menschen unerwünschtes, aber aus Sicht des Hundes „angemessenes“ und physiologisches (d.h. gesundes) Verhalten. Wichtig ist daher zu verstehen, warum aggressives Verhalten in einer konkreten Situation gezeigt wird, um an dieser Ursache gezielt arbeiten zu können. Die häufigsten zugrundeliegenden Auslöser für Aggression sind dabei meist Angst und Unsicherheit oder Schmerzen.

Unter pathologischer Aggression versteht man aggressives Verhalten, das ohne erkennbaren Auslöser gezeigt wird, übermäßig stark ist und weiterhin gezeigt wird, selbst wenn der Reiz entfernt wird. Für diese Verhaltensstörung kann es zugrundeliegende z.B. neurologische oder hormonelle Ursachen geben, die ausgeschlossen werden sollten, bevor ein Therapieversuch gestartet wird.

Unsauberkeit

Unsauberkeit von Harn oder Kot muss primär von einer Inkontinenz (d.h. der körperlichen Unfähigkeit, Harn oder Kot zu halten) unterschieden werden. Eine häufige Ursache hierfür könnten beispielsweise Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparates, eine Blasenschwäche oder Erkrankungen mit stark erhöhter Flüssigkeitsaufnahme sein.

Tatsächliche Unsauberkeit kann von einer fehlenden Stubenreinheit herrühren (so haben Hunde aus Zwingerhaltung oftmals keine Stubenreinheit erlernen können), Markierverhalten sein, oder auch auf Angst, Stress oder Unwohlsein hinweisen. Auch bei einer Blasenentzündung oder Durchfall kann es zu Harn- oder Kotabsatz in der Wohnung kommen.

Nicht zu unterschätzen ist, dass Welpen zum Erlernen der Stubenreinheit mehrere Wochen brauchen, in denen vor allem bei Freude, Angst oder durch schlichtes „Vergessen“ auf den Harndrang das ein oder andere „Hoppala“ akzeptiert werden muss. Sind die Hunde beim Spaziergang sehr abgelenkt oder ängstlich, fällt ihnen das Harn lassen im Freien oftmals schwer und wird direkt nach dem nach Hause kommen z.B. auf der Fußmatte erledigt. Hier hilft es meist schon, die Spaziergänge häufiger anzubieten und ruhiger zu gestalten.

Unangemessenes oder unerwünschtes Jagdverhalten (von Artgenossen oder anderen Tieren, Personen, Gegenständen)

Jagdverhalten, welches gegenüber Menschen, Hunden, anderen Tieren oder bewegten Objekten (z.B. Fahrräder, Motorräder, Autos oder sogar Straßenbahnen) gezeigt wird, birgt ein hohes Verletzungsrisiko für den oder die gejagte/n oder Verkehrsteilnehmer, aber auch für den jagenden Hund selbst. Auch das Hetzen von Wild ist kein Kavaliersdelikt, sondern kann den gehetzten Tieren erheblichen Schaden zufügen – und beim eventuellen Überqueren von Straßen oder Bahnübergängen auch zu Verkehrsunfällen führen. Richtet sich das Jagdverhalten gegen Radfahrer oder Jogger, kann der tägliche Spaziergang zum Spießroutenlauf werden.

Wichtig ist, die Ursache des Jagdverhaltens zu erheben. So kann es z.B. durch mangelnde Sozialisation, übersteigerten Jagdtrieb, aber auch aus einer ursprünglichen Angst heraus entstanden sein. Je nach Diagnose kann eine Therapie durch gezieltes Training und geeignete Managementmaßnahmen gestaltet werden.

Zwangsverhalten

Zwangsverhalten im Sinne einer Stereotypie kann sich z.B. durch zwanghafte Bewegungsmuster (wie das tranceartige Laufen immer gleicher Strecken am Gartenzaun entlang), Leckzwang, Schwanzjagen, Jagen von Lichtreflexen oder Fliegen und dem Starren ins Leere äußern. Die Ursachen hierbei sind vielfältig: Unterbeschäftigung, Stress, Fehlprägungen, mangelnde Habituation (Gewöhnung) an eine Umgebung oder bestimmte Lebensumstände sind nur einige der möglichen Auslöser für stereotypes Verhalten. Auch körperliche Ursachen, wie Schmerzen, neurologische Erkrankungen, Tumore, Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, Allergien, oder Organschäden, können zu Zwangsverhalten führen und sollten daher durch gründliche Untersuchung des Hundes ausgeschlossen werden.

Diagnose und Therapie

Wichtig zu wissen ist, dass jedes der hier aufgeführten Probleme neben tatsächlichen Verhaltensstörungen auch körperliche Ursachen zugrunde haben kann. So können z.B. Schmerzen im Bewegungsapparat (Arthrosen, Hüftdysplasie (HD) u.a.) hormonelle Erkrankungen (Schilddrüsenunterfunktion, Morbus Addison u.a.), gastrointestinale Probleme (Magengeschwüre, Durchfallerkrankungen, Futtermittelallergien u.a.), Beeinträchtigung der Sinnesorgane (Sehschwäche v.a. im Dunkeln, Schwerhörigkeit u.a.), Entzündungen (Blasenentzündung, Rachenentzündung u.a.) zu verschiedenen Verhaltensänderungen führen. Daher gehört zu jeder verhaltensmedizinischen Untersuchung immer auch eine gründliche klinische Abklärung des Patienten.

Bei reinen Verhaltenproblemen ist es oft empfehlenswert mit spezialisierten Verhaltenstrainern zusammenzuarbeiten. Teilweise haben auch Hundetrainer eine spezielle Ausbildung für solche Problemfälle.

Die medikamentöse Behandlung mit Psychopharmaka ist Mittel der letzten Wahl und sollte nur in äußert schwierigen Fällen gemeinsam mit dem Trainer und dem Tierarzt besprochen werden.

Quellen

  • Bolbecher G., Zurr D. (2014) Ganzheitliche Verhaltenstherapie bei Hund und Katze
  • Askew H.R. (2.Auflage) Behandlung von Verhaltensproblemen bei Hund und Katze: ein Leitfaden für die …

2025 © Copyright Tierklinik Sattledt - Designed by FreshCOM