Silvesterangst und andere Geräuschaversionen beim Hund: Welche unterstützenden Maßnahmen kann man treffen und wie verhält man sich richtig?

Ein Viertel bis die Hälfte aller Hunde ist bei lauten Geräuschen, wie z.B. Feuerwerk, Schüssen und Gewitter, verängstigt. Sollte Ihr Hund bei lauten Geräuschen besonders ausgeprägte Angstsymptome zeigen, vereinbaren sie bitte rechtzeitig (mindestens ein bis zwei Monate vor Silvester) einen Termin für eine Verhaltenskonsultation. Mit einer medikamentösen Behandlung in Kombination mit einer Verhaltenstherapie kann Ihrem Hund zusätzlich geholfen werden.

Grundregeln für die Silvesternacht

1) Zufluchtsort für den Hund:

  • Bieten Sie für Ihrem Hund einen Zufluchtsort, an den er sich zurückziehen kann. Dieser sollte in einem gut abgeschotteten, ruhigen Raum sein, am besten im Zentrum des Gebäudes. Sollte Ihr Hund durch Lichtreize Hund zusätzlich verängstigt werden (z.B. die Lichtblitze eines Feuerwerks oder Gewitterblitze), eignet sich ein fensterloser Raum besonders als Zufluchtsort. Alternativ sollte das Zimmer mit Hilfe von Rollläden, Jalousien oder Vorhängen so gut wie möglich abgedunkelt werden und alle Fenster geschlossen bleiben. Der Raum muss für Ihren Hund immer frei zugänglich sein, damit er dort jederzeit, auch in Situationen in denen er allein zu Hause ist, Zuflucht finden kann. Vergewissern Sie sich, dass die Tür zum Zufluchtsort nicht unabsichtlich zufallen kann, sodass der Hund im Raum gefangen ist.
  • Gewöhnen Sie Ihren Hund langsam an seinen neuen Rückzugsort, indem Sie ihn schon mehrere Tage bis Wochen vor Silvester zwei bis drei Mal täglich mit Futter, Kauleckerlis oder Spielzeug an diesen Ort führen. Dadurch lernt der Hund seinen Zufluchtsort mit positiven Ereignissen zu verknüpfen und fühlt sich dort wohl.
  • Sollte Ihr Hund bereits einen bevorzugten Raum haben, an welchem er sich bei lauten Geräuschen und Gewitter von sich aus zurückzieht, überlegen Sie sich, ob dieser durch weitere Maßnahmen zusätzlich verbessert werden kann.
  • Legen sie viele Decken in die Ecke, wo der Hund in vergangenen Angstsituationen schon versucht hat sich zu verstecken. Damit kann sich der Hund eingraben und verkriechen. Zusätzlich können Sie Ihrem Hund auch eines Ihrer (ungewaschenen) Kleidungsstücke anbieten – auf manche Hunde übt der Geruch ihrer Bezugsperson eine entspannende und beruhigende Wirkung aus.
  • Futter und Wasser sollte ebenfalls bereitgestellt werden. Zusätzlich können Kauleckerlies oder Kauartikel im Versteck gelassen werden. Die Beschäftigung und das Kauen helfen Ihrem Hund beim Stressabbau und sorgen zusätzlich für Ablenkung. Seien Sie jedoch nicht beunruhigt, wenn Ihr Hund die Kaugegenstände in Angstsituationen ignoriert.
  • Ruhige, rhythmische Musik in moderater Lautstärke kann die Feuerwerksgeräusche maskieren. Sollte Ihr Hund diese Art von Musik nicht gewöhnt sein und dadurch irritiert reagieren, wechseln sie den Musikstil oder schalten sie die Stereo-Anlage wieder aus. Idealerweise probieren Sie bereits vor Silvester aus, welche Musik eine beruhigende Wirkung auf Ihren Liebling zeigt.

2) Verhalten des Hundebesitzers:

  • Der letzte Spaziergang an Silvester sollte ca. eine bis zwei Stunden vor Beginn des Feuerwerks stattfinden, damit der Hund seine Blase entleeren kann, denn eine volle Blase steigert den Stresslevel und führt zu Unwohlsein. Der Hund sollte dabei grundsätzlich angeleint bleiben!
  • Unerwartete Schüsse können dazu führen, dass der Hund sich los reist und entläuft oder im Straßenverkehr zu Schaden kommt!
  • Auch wenn Sie natürlich Mitleid mit Ihrem Hund haben, sollten Sie Ihn in Angstsituationen nicht übermäßig trösten. Vermeintlich beruhigende Signale des Besitzers, wie z.B. Tätscheln und auf den Hund einreden, bestätigen den Hund in der Annahme, dass das Feuerwerk/Gewitter gefährlich ist. Außerdem vermittelt dieses Verhalten Ihrem Hund unter Umständen, Sie müssten ihn vor dieser Gefahr schützen und er könnte umso panischer reagieren, sollte er einmal alleine einer solchen Situation (z.B. bei Gewitter) ausgesetzt sein.
  • Sie müssen ihren Hund nicht vollständig ignorieren, aber Sie dürfen ihn auch nicht in seiner Angst bekräftigen. Sucht ihr Hund Körperkontakt zu Ihnen, lassen Sie es zu aber bestätigen Sie seine Angst nicht durch übermäßiges Streicheln. Fällt es Ihnen schwer seine Angst zu ignorieren, so üben sie sanften und konsequenten Druck auf den Körper Ihres Hundes aus, aber tätscheln Sie ihn nicht und reden Sie nicht auf ihn ein.
  • Niemals dürfen Sie Ihren Hund für sein ängstliches Verhalten bestrafen oder sich über seine Panikattacken ärgern!
  • Versuchen Sie Ihrem Hund zu vermitteln, es handle sich um eine alltägliche und ungefährliche Situation, indem Sie sich möglichst normal verhalten: Ignorieren Sie die Feuerwerksgeräusche und machen Sie einen glücklichen und unbeschwerten Eindruck. Zeigt Ihr Hund keine ausgeprägte Angst, können Sie ihn zum Spielen animieren – aber akzeptieren Sie, wenn Ihr Hund nicht in der Stimmung dazu ist. Falls sie andere Haustiere haben, die keine Furcht vor Geräuschen aufweisen, können Sie mit diesen spielen. Möglicherweise wird das ängstliche Tier dadurch mutiger und spielt sogar mit.

Zusätzliche Maßnahmen

im Folgenden werden einige ergänzende Vorschläge, die Angstsymptome in der Silvesternacht mildern können, aufgezeigt. Der Effekt dieser Maßnahmen ist individuell stark unterschiedlich.

Manche dieser Vorkehrungen müssen schon mehrere Tage bzw. Wochen vor Silvester getroffen werden, damit sie eine Wirkung erzielen können.

  • Pheromone: Pheromone, wie z.B. das DAP (=Dog Appeasing Pheromone), sind Botenstoffe zur Informationsübertragung zwischen Individuen innerhalb einer Art. Das DAP ist eine synthetische Nachbildung eines natürlichen Pheromons, das von der Mutterhündin zu Beruhigung der Welpen gebildet wird. Es ist in Form eines Halsbands, Verdampfers oder Sprays (Handelsname Adaptil®) bei Ihrem Tierarzt erhältlich. Idealerweise sollte man mit der Pheromontherapie schon mehrere Wochen vor Silvester beginnen. Der Verdampfer kann beispielsweise einen Monat vor Silvester am Rückzugsort des Hundes installiert werden. Ergänzend können in der Silvesternacht die Decken im Zufluchtsraum mit einem Spray besprüht werden.
  • Gehörschutz: Dieser kann im Zoofachgeschäft erworben werden. Der Hund sollte schon vor Silvester langsam daran gewöhnt werden, den Gehörschutz zu tragen. Leckerli und andere Belohnungen oder Clickertraining können dabei helfen.
  • „Angst-Wrap“: Eng anliegende Kleidung am Körper des Hundes übt einen leichten, gleichmäßigen Druck aus. Dieser konstante Druck hat eine beruhigende Wirkung auf das Nervensystem und kann dadurch Angst-Symptome reduzieren. Im Fachhandel ist diese Hundekleidung z.B. als Thundershirt® erhältlich.
  • Fütterung:
    • Bei Ihrem Tierarzt sind spezielle Diäten für gestresste und ängstliche Tiere erhältlich. Diese Futtermittel enthalten Milchproteine mit Stress regulierenden Eigenschaften und haben einen erhöhten Tryptophan-Anteil. Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure und wird im Körper zu Serotonin (einem Botenstoff mit stimmungsaufhellender und beruhigender Wirkung) umgewandelt. Mit der Fütterung sollte mindestens einen Monat vor Silvester begonnen werden (Hersteller empfehlen eine Fütterungsdauer von zwei bis drei Monaten). Möchten Sie das Futtermittel nicht wechseln, können diese Inhaltsstoffe auch als Nahrungsergänzungsmittel verabreicht werden.
  • Fütterung einer kohlenhydratreichen Mahlzeit (z.B. Nudeln, überkochter Reis oder Kartoffelpüree) am späten Nachmittag des 31. Dezembers kann eine beruhigende Wirkung auf Ihren Hund haben. Der ansteigende Blutzuckerspiegel stimuliert die Freisetzung entspannender Botenstoffe.
  • ACHTUNG: Bei Futtermittelallergikern darf das Futtermittel nicht gewechselt werden! Greifen Sie stattdessen auf gut verträgliche Nahrungsergänzungsmittel zurück.
  •  Massagetherapie:
    • „TTouch“ ist eine spezielle Technik, bei der die Haut sanft in einem 1 ¼ Kreis gegen das darunterliegende Gewebe verschoben wird und hat eine positive Wirkung auf die Muskulatur und das Nervensystem. Diese Form der Berührung sollte eine Woche lang getestet werden, um zu sehen ob es einen beruhigenden und entspannenden Effekt auslöst. Sollte dies bei Ihrem Hund zutreffen, können die Berührungen mit einem Codewort, wie z.B. einem langgezogenen „ruhig“, verknüpft werden. Nach mehreren Wiederholungen kann in einer Angstsituation das Codewort allein bereits eine beruhigende Wirkung bei Ihrem Hund hervorrufen.
    • Lange, sanfte Streichelzüge können die Herzfrequenz Ihres Hundes senken und somit einen entspannenden Einfluss auf Ihren Hund haben.
    • Die Streichel- und Massageeinheiten sollten in einer entspannten Liegeposition durchgeführt werden, da im Liegen automatisch eine niedrigere Herzfrequenz vorliegt.
    • Musiktherapie: Klassische Musik kann bei Hunden ein entspanntes Verhalten hervorrufen. Prinzipiell haben Musikstücke mit wenigen Instrumenten, tiefen Frequenzen und langsamen Rhythmen einen beruhigenden Effekt. Es gibt auch eigene CDs mit entspannenden Melodien für Hunden.

Haben Sie und Ihr Hund die diesjährige Feuerwerksnacht überstanden, unternehmen Sie im neuen Jahr etwas gegen die Geräusch-Phobie Ihres Hundes. Mit speziellen Werkzeugen der Verhaltensmedizin (Desensibilisierung und Gegenkonditionierung) kann ein verhaltensmedizinisch ausgebildeter Tierarzt Ihrem Hund helfen, die Geräusche zu akzeptieren und zu ignorieren. Mit genauen Anleitungen und einer speziellen CD mit Aufnahmen von Feuerwerksgeräuschen, Gewittern und anderen lauten Geräuschen können Sie das Training zu Hause ergänzen.

Ein gutes Neues Jahr wünscht die Tierklinik Sattledt!

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