Ursache
Die Parvovirose beim Hund wird verursacht durch Varianten des caninen Parvovirus 2 (CPV-2a, 2b, 2c). Die Vermehrung der Parvoviren findet in Zellen mit einer hohen Teilungsrate statt. Das sind z.B. das Darmepithel, das Knochenmark, lymphatisches Gewebe und auch jugendliche Herzmuskelzellen. Das Canine Parvovirus ist sehr widerstandsfähig gegenüber Umwelteinflüssen – so bleibt es beispielsweise bei normaler Raumtemperatur bis zu 6 Monate in der Umgebung ansteckungsfähig.
Übertragung
Die häufigste Ansteckung mit Parvovirose erfolgt fäkal-oral. D.h. durch direkten Kontakt mit infizierten Hunden oder indirekt durch (mit Kot) kontaminierte Gegenstände. So kann das Parvovirus z.B. auch indirekt über verschmutzte Straßenschuhe verschleppt werden. Eine Ansteckung von der Mutter auf ihre Welpen während der Trächtigkeit ist ebenfalls beschrieben.
Inkubationszeit
Vom Zeitpunkt der Ansteckung (direkt oder indirekt) bis zum Krankheitsausbruch dauert es ca. 7-14 Tage. Die Virusausscheidung im Kot beginnt mit der Ansiedlung und Vermehrung des Virus in den Darmzellen. Das ist etwa 3-7 Tage nach der peroralen Infektion und dauert ca. 14 Tage. In seltenen Fällen kann die Virusausscheidung auch länger anhalten. Tatsächliche „Dauerausscheider“ scheinen allerdings nicht vorzukommen.
Nach der Immunisierung mit einer Lebendvakzine kann das Impfvirus bis ca. 3 Wochen nach der Impfung im Kot ausgeschieden werden. Bei Hunden kann eine Differenzierung des Impf- und Feldvirus mittels quantitativem PCR-Test im Labor erfolgen.
Symptome
Innerhalb der ersten 24-48h kommt es zu unspezifischen Anzeichen wie Inappetenz, Abgeschlagenheit und möglicherweise Fieber. Im Anschluss kommt es zusätzlich zu starkem Erbrechen, wässrigem bis blutigem Durchfall und teils starken Bauchschmerzen. Durch den extremen Flüssigkeitsverlust trocknen die Tiere sehr schnell aus und es kann zu einem hypovolämischen (Volumenmangel) Schock kommen. In Einzelfällen können Welpen auch perakut (plötzlich, ggf. ohne Ausprägung von starken Symptomen) versterben.
Die klinischen Symptome können aufgrund eventuell vorliegender Sekundärinfektionen (z.B. durch eine zusätzliche Viren-, Bakterien- und/oder Parasiten-Last) und auch beeinflusst von der Teilungsrate der Darmepithelzellen variieren. Da das Virus auch das lymphatische System befällt, ist das Immunsystem der Tiere meist stark geschwächt.
Die meisten an Parvovirose erkrankten Tiere versterben bereits zwischen dem 2. und 4. Tag der Erkrankung, oftmals trotz intensivster tiermedizinischer Betreuung. Ab dem 4.-5. Tag steigen die Überlebenschancen deutlich an.
Diagnose
- Virusnachweis im Kot mittels Immunoassay: Schnelltest zum qualitativen Nachweis (positiv/negativ, keine Angabe der Höhe der Viruslast im Kot, keine Differenzierung zwischen Impf- und Feldvirus) – bereits durch eine Tupferprobe im hauseigenen Labor der Klinik durchführbar. Die Testergebnisse stehen innerhalb weniger Minuten zur Verfügung.
- Im externen Labor kann durch Einschicken einer (Sammel-)Kotprobe ein quantitativer PCR-Nachweis (positiv/negativ, mit Angabe der Höhe der Viruslast und Differenzierung zwischen Impf- und Feldvirus) angefordert werden. Die Testergebnisse stehen innerhalb einiger Tage zur Verfügung.
- Mögliche Veränderungen im Blutbild und der Blutchemie:
- hochgradig verminderte weiße Blutzellen (v.a. der neutrophilen Granulozyten, Teil des körpereigenen Immunsystems), allerdings kann diese Blutbildveränderung auch erst einige Tage später auftreten und ist somit kein Beweis für/gegen eine Parvovirus-Infektion.
- Erhöhter Hämatokrit: Hinweis auf Austrocknung (Dehydratation)
- Prärenale Azotämie: Erhöhte Nierenwerte, bedingt durch die Austrocknung
- Anämie: Blutarmut
- Hypoalbuminämie: Verminderung der Blutweiweiße
- Elektrolytverschiebungen
- Unterzucker
Differentialdiagnosen
- Virale Durchfälle anderer Ursache: z.B. Hundestaupe, Coronavirusenteritis, Hepatitis-contagiosa-canis-Infektion
- schwere bakterielle Durchfälle (Salmonellose, Campylobacter-, Clostridien- und Escherichia-coli-Enteritis)
- akutes hämorrhagisches Durchfallsyndrom (AHDS)
- Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung)
- Addison-Krise
- Darmobstruktion/-invagination
- Vergiftungen
- starker Wurmbefall bei Welpen (Haken-, Peitschenwürmer)
- uvm
Komplikationen
- Massiver Flüssigkeisverlust (Dehydratation), verursacht durch starken blutig-wässrigen Durchfall und Erbrechen
- Proteinverlust über die zerstörte Darmschleimhaut
- Darminvaginationen (Darmverschluss), vermutlich infolge einer verminderten Peristaltik des Darms; diese stellen einen chirurgischen Notfall dar!
- Disseminierte intravasale Gerinnung (DIC)/Verbrauchskoagulopathie, ausgelöst u.a. durch Sepsis und die Freisetzung gerinnungsfördernder Substanzen aus infizierten Zellen
- Sepsis (Blutvergiftung), aufgrund der geschädigten Darmbarriere und der verminderten Leistungsfähigkeit des körpereigenen Immunsystems
- Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung), vermutlich eine multifaktorielle Ursache
- Futtermittelunverträglichkeiten und/oder ein sensibler Magen-Darm-Trakt können nach einer überstandenen Parvovirus-Infektion häufiger auftreten.
Therapie
Bei einer klinisch-manifesten Parvovirose ist eine intensive, im besten Fall stationäre, Therapie mit folgenden Eckpunkten unabdingbar:
- Eine intravenöse Flüssigkeitstherapie, ein Ausgleich von Elektrolytdefiziten, sowie der Ausgleich von Albumin- und Glukosemängeln
- Medikamente gegen Erbrechen, Übelkeit, und Durchfall
- Medikamente zum Aufbau der pyhsiologischen Darmflora
- Eine Breitspektrum-Antibiose zur Vermeidung von bakteriellen Sekundärinfektionen bzw. einer Sepsisggf. Schmerzmittel
- Bei Inappetenz sollte eine Zwangsernährung, z.B. mittels Spritzenfütterung oder über eine nasoösophageale Sonde erfolgen
Des Weiteren sollten strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden, um eine Verschleppung der Viren und Ansteckung anderer Hunde zu verhindern. Hierfür haben Tierkliniken eine spezielle Isolier-Station für erkrankte Tiere.
Prognose
Bei unvollständig oder ungeimpften Welpen und Junghunden bis zu einem Alter von ca. 6 Monaten ist die Zahl der Erkrankten und die Sterberate bei einer Parvovirus-Infektion besonders hoch. Bei Hunden mit einer Teilimmunität (durch z.B. eine noch nicht vollständig abgeschlossene Grundimmunisierung) oder adulten Tieren, kann es auch zu einem milderen bzw. subklinischen Verlauf kommen.
Die Prognose ist von vielen Faktoren abhängig, wie z.B. dem Alter, dem Immunitätsstatus, eventueller Sekundärinfektionen sowie vom Auftreten von Komplikationen. Eine frühzeitige intensive Therapie kann die Sterblichkeitsrate beträchtlich senken.
Prophylaxe
Ein Kontakt mit dem ubiquitären Virus lässt sich nicht verhindern – daher bietet eine Immunisierung durch eine Impfung den zuverlässigsten Schutz. Hierbei sollten die durch Tierarzt und Hersteller angeratenen Impfschemata strikt befolgt werden.
Das Problem bei der Grundimmunisierung stellt die sogenannte immunologische Lücke dar: Welpen, die möglicherweise zu früh geimpft wurden (im Alter von 6-8 Wochen), haben unter Umständen noch genügend neutralisierende Antikörper durch die Muttermilch im Blut. Dadurch kann die Impfung nicht richtig wirken und es kommt trotz zweimaliger Impfung zu einem ungenügenden Impfschutz. Es wird daher in diesem Fall eine dreimalige Grundimmunisierung empfohlen.
Hygienemaßnahmen, regelmäßige Desinfektion, Quarantäne-Maßnahmen von neuen Hunden zum bestehenden Bestand sowie die Isolation kranker Hunde, Vermeidung von Stress und Überbelegung, sowie eine gute bedarfsgerechte Fütterung sind weitere prophylaktische Maßnahmen zur Eindämmung der Virusausbreitung. Da das Virus sehr widerstandfähig ist, reicht eine Standarddesinfektion mit alkoholischen Desinfektionsmittel jedoch nicht aus. Zuhause können kontaminierte Gegenstände wie Hundedecken u.ä. mit einem chlorhaltigen Waschmittel gewaschen werden, mit welchem auch der Boden gereinigt werden kann (z.B. Danklorix).
Bedeutung für den Menschen
Das canine Parvovirus ist für den Menschen nicht infektiös.
Quellen
- Kohn B, Schwarz G (2018): Praktikum der Hundeklinik, Enke Verlag, Stuttgart, 12. aktualisierte Auflage: 377-380