Home » Lexikon » Hüftgelenksdysplasie (HD) des Hundes

Dr. Riccarda Schünemann - Dipl. ECVS

European Specialist in Small Animal Surgery Fachtierärztin für Kleintierchirurgie Fachtierärztin für Kleintiere

INHALTSVERZEICHNIS

Bei der Hüftgelenksdysplasie (HD) handelt es sich um eine Erkrankung, bei der Oberschenkelkopf und Hüftpfanne nicht richtig ineinander passen. Mit Fortschreiten der Erkrankung kommt es zu Arthrosen im Bereich des Hüftgelenkes.
Es stehen verschiedene vorbeugende operative Maßnahmen als Option zur Verfügung. Sollte es bereits zu schweren Arthrosen gekommen sein, stehen außer der konservativen Therapie nur eine Femurkopfhalsresektion oder ein künstliches Hüftimplantat als Therapieoptionen zur Verfügung.

Ursache

Es handelt sich vorwiegend um eine genetisch bedingte Erkrankung. Nur in Ausnahmefällen spielen Traumata, Ernährung oder Stoffwechselerkrankungen eine Rolle bei der Entstehung.

Als Hauptfaktor bei der Entstehung der HD wird eine Überbeweglichkeit (Laxizität) im Bereich der Hüftgelenke während des Wachstums angenommen. Durch diese kommt es zu einem mehr oder minder ausgeprägten „Rausrutschen“ (sogenannte Subluxation) des Oberschenkelkopfes aus der Hüftpfanne. Hierdurch kommt es zu Knorpelabrieb an Kopf und Pfannenrand und in Folge zu Verformungen und letztendlich Arthrosen.

Epidemiologie – Welche Hunde sind häufiger betroffen

Am häufigsten sind größere Rassen betroffen, allen voran der Deutsche Schäferhund, der Rottweiler, Labrador Retriever, Golden Retriever, Neufundländer und andere. Aber auch der Border Collie und kleinere Rassen sind zunehmend betroffen. Nachgewiesenermaßen schreitet die Arthrose zudem bei übergewichtigen Hunden schneller fort.

Symptome

Bei noch nicht ausgewachsenen Hunden bemerkt man häufig noch keine Schmerzhaftigkeit, sondern leidglich einen schlingernden Gang („Marilyn Monroe Gang“) der Hintergliedmaßen. Im Galopp fallen betroffene Hunde häufiger durch ein „Hasen-hoppeln“ auf. Die Erkrankung kann  gerade bei triebigen Hunde über Jahre unentdeckt bleiben.

Mit fortschreitender Arthrose kommt es zu Schwierigkeiten beim Aufstehen oder ins Auto Springen. Die Hunde werden zunehmend unwilliger und es kommt zu einer Lahmheit der betroffenen Gliedmaße. Bei beidseits betroffenen Hunden kann die Lahmheit undeutlicher ausfallen.

Diagnose

Die Diagnosestellung erfolgt in der Regel während einer tierärztlichen orthopädischen Untersuchung in Kombination mit Röntgenaufnahmen. Diese müssen meist in Sedation angefertigt werden, weil sich betroffene Hunde vor Schmerzen wach nicht gut lagern lassen.

In Sedation wird vor allem bei jungen Hunden auch das sogenannte Ortolani Zeichen getestet. Hiermit wird auf Überbeweglichkeit des Hüftgelenkes untersucht: durch eine bestimmte Bewegung wird ein Rutschen des Oberschenkelkopfes aus der Pfanne provoziert. Beim Zurückrutschen in die Pfanne kommt es bei betroffenen Hunden zu einem typischen „Klack“-Geräusch oder -Gefühl. Hiermit lassen sich auch Hunde identifizieren, bei denen die Erkrankung erst im Frühstadium vorliegt und die noch keinerlei Arthrosezeichen im Röntgen aufweisen. Sollten bereits schwerwiegende Arthrosen vorliegen, ist der Ortolani Test durch die Fibrose (bindegewebige Verdickung) der Gelenkskapsel meist negativ. Möglicherweise werden in diesem Fall noch Spezialaufnahmen angefertigt (z.B. PennHIP), um den sogenannten Distraktionsindex zu bestimmen, ein Maß für die Schwere der Überbeweglichkeit der Hüftgelenke.

Differentialdiagnosen

Die wichtigste Differentialdiagnose bei Lahmheiten der Hintergliedmaßen stellt ein Kreuzbandriss im Kniegelenk dar. Dieser kommt inzwischen durch die verbesserte Zuchthygiene häufiger vor als eine HD.

Auch Erkrankungen des Rückens (Cauda equina Syndrom) können sich von den Symptomen her ähnlich wie eine HD äußern.

Hüfgelenksdysplasie
Links: Normale Hüfte versus Rechts: Hüftgelenksdysplasie
Hüftgelenksdysplasie Hund
Links: Künstliches Hüftgelenk bei einem Hund, biologische Fixation. Rechts: Zementiertes künstliches Hüftgelenk bei einem kleinen Hund

Therapie

Es muss zwischen vorbeugenden Operationen und Operationen zum Zweck der Schmerzbekämpfung unterschieden werden.

Vorbeugende operative Maßnahmen

Vorbeugende Operationen werden beim jungen Hund, welcher noch keinerlei Arthrose, jedoch zu laxe Hüftgelenke zeigt, durchgeführt. Dies soll verhindern, dass sich später eine Arthrose ausbildet.

1. Juvenile Pubische Symphysiodese

Diese minimalinvasive Operation hat nur Aussicht auf Erfolg, wenn sie beim Welpen unter 20 Wochen, in seltenen Fällen bis 24 Wochen durchgeführt wird. Es wird daher empfohlen, Welpen häufig betroffener Rassen wie Labrador, Rottweiler und Deutscher Schäferhund bereits in einem Alter von 16 Wochen (z.B. bei der Tollwutimpfung) einem „Vorröntgen“ zu unterziehen. Sollten sich hierbei laxe Hüftgelenke zeigen, wird die Operation als vorbeugende Maßnahme empfohlen. Es hat sich gezeigt, dass behandelte Hunde deutlich seltener behandlungswürdige Arthrosen entwickeln.

Bei der minimalinvasiven Operation mit nur einem sehr geringen Operationsrisiko wird die Wachstumsfuge im Bereich der beiden Schambeinäste verödet. Hierdurch schließt sich diese Wachstumsfuge früher, während das Becken im oberen Bereich weiterwächst. Dies hat eine wesentlich bessere Überdachung der Oberschenkelköpfe durch die Hüftpfanne zur Folge, was wiederum die Laxizität und damit das Fortschreiten der Arthrose deutlich vermindert.

2. Dreifache oder Zweifache Beckenosteotomie

Diese Operation stellt ebenfalls eine vorbeugende Maßnahme dar. Sie wird dann durchgeführt, wenn der Hund für eine Pubische Symphysiodese bereits zu alt ist, aber laxe Hüftgelenke zeigt und noch keinerlei Arthrosen entwickelt hat. Auch diese Methode hat, wie die Symphysiodese, die bessere Überdachung der Oberschenkelköpfe zum Ziel. Hierbei wird das Becken an zwei oder drei Stellen durchtrennt und mit einer speziell gewinkelten Platte wieder verplattet. Hierdurch wird der obere Bereich des Beckens über den Oberschenkelkopf „geschwenkt“. Der Nachteil dieser OP Methode ist die höhere Invasivität, Schmerzhaftigkeit und höhere Komplikationsrate als bei der Symphysiodese.

Operationen bei fortgeschrittener Arthrose

Sollte die Arthrose fortgeschritten sein, konservative Therapie wie Physiotherapie, Gewichtsreduktion und Schmerzmittel nicht mehr helfen und der Hund permanent Schmerzen hat, muss eine Operation durchgeführt werden, um die Schmerzen des Hundes zu lindern.

1. Femurkopfhalsresektion

Bei dieser Operation wird der Oberschenkelkopf inkl. Hals entfernt. Die Gliedmaße wird hinterher über die Muskulatur gehalten, denn das Gelenk existiert nicht mehr. Dadurch rutscht das Bein etwas nach oben, was einen typischen, etwas wackeligen Gang verursachen kann (aber nicht muss, je nach Bemuskelung). Es entwickelt sich eine sogenannte „physiologischen Lahmheit“, im Gegensatz zu einer schmerzbedingten Lahmheit.

Im Anschluss an die Operation ist Physiotherapie von sehr großer Bedeutung, um die Gliedmaße beweglich und die Muskulatur intakt und kräftig zu halten. Kleinere leichtere Hunde kommen in der Regel nach Operation gut zurecht. Je schwerer der Hund und je schlechter er bemuskelt ist, desto schwieriger und länger wird die Erholungsphase nach der OP.

2. Künstliche Hüfte

Ein künstliches Hüftgelenk stellt den gesunden, physiologischen Zustand der Hüfte wieder her und ist – wie in der Humanmedizin- OP- Methode der Wahl. Es wird eine neue Hüftpfanne sowie ein Stamm im Oberschenkelknochen mit einem neuen Kopf eingesetzt. Die Implantate bestehen aus Titan, Cobalt-Chrome und einem Ultrahigh Molecular Weight Polyethylen Liner innerhalb der Hüftpfanne. Es wird zwischen zementfixierten und biologisch fixierten Implantaten unterschieden. Traditionell wurden Pfanne und Stamm einzementiert. Heutzutage ist dies nur noch bei kleinen Hunden und Katzen nötig. Bei großen Hunden werden die Implantate in der Regel biologisch fixiert, d.h. sie werden „press-fit“ eingeschlagen. Dies hat eine bessere Verträglichkeit und eine geringere Infektionsrate zur Folge.

In der Rekonvaleszenzphase muss der Hund anfangs sehr ruhig gehalten werden und darf nur an der Leine laufen. Im Normalfall dauert die Erholungsphase 12 Wochen. Dann können die Hunde in der Regel ein normales, aktives Leben führen – so, als wären sie mit einem gesunden Hüftgelenk geboren.

Weitere Informationen finden Sie auch in den FAQ.

Abbildung 3: Femurkopfhalsresektion bei einem Hund

Prognose

Die Prognose ist abhängig vom Schweregrad der Erkrankung. Leichtgradige HD bei einem leichten Hund kann möglicherweise zeitlebens symptomfrei bleiben. Viele Hunde lassen sich durch konservative Therapie, also Gewichtsreduktion, Physiotherapie, Futterzusätze und Schmerzmittel ebenfalls bis an ihr Lebensende stabil halten. Wenn Ihr Hund jedoch unter permanenten Schmerzen leidet, suchen Sie tierärztlichen Rat, sodass die bestmögliche Therapieoption gewählt werden kann.

Bei Welpen empfiehlt es sich, wachsam zu sein und Auffälligkeiten sofort untersuchen zu lassen. Die Prognose nach den vorbeugenden Operationsmaßnahmen ist, in Abhängigkeit von der Schwere der Erkrankung, in der Regel sehr gut.

Quellen

  • Tobias KM & Johnston SA (2012): Veterinary surgery small animal. Elsevier, St. Louis, 1. ed.
  • DeCamp CE, Johnston SA, Dejardin LM, Schaefer SL (2016): Handbook of Small Animal Orthopedics and Fracture Repair. Elsevier, St. Louis
  • Biomedtrix Universal Hip Course (2018), College Station, TX

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