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Mag. Annabell Entenfellner

Allgemeinmedizin, Chirurgie, Orthopädie

INHALTSVERZEICHNIS

Der Darmverschluss durch Fremdkörperaufnahme ist ein häufiger Behandlungsgrund bei unseren vierbeinigen Patienten. Zu den häufigsten Symptomen gehören plötzlich auftretendes Erbrechen, Mattigkeit und Bauchschmerzen. Eine Blockade des Verdauungstraktes muss schnell behandelt werden. Eine umgehende Diagnostik und eine meist (chirurgische) Therapie sind sehr wichtig. Liegt noch keine starke Gewebsschädigung vor und kann die Blockade schnell behoben werden, so ist die Prognose für eine vollständige Wiederherstellung in der Regel gut. Liegt bereits eine Schädigung im Magen-Darm-Trakt oder möglicherweise sogar ein Darmdurchbruch vor, so ist die Prognose deutlich vorsichtiger zu stellen. Dies gilt ebenso beim Vorliegen von Tumoren.

Ursachen

Ein Passagehindernis im Bereich des Magen-Darm-Trakts ist eine gefährliche Situation, die auf jeden Fall sehr ernst genommen werden muss. Die Ursachen sind vielfältig. Einer der häufigsten Gründe ist die Aufname eines Fremdlörpers. Dabei kann es sich um verschiedenste Gegenstände, aber auch Futtermittel oder Haarballen handeln.

Darmverschluss durch Fremdkörperaufnahme

Unter einem Fremdkörper versteht man einen unverdaulichen Gegenstand, der zur Reizung, Verletzung und Verstopfung des Verdauungstraktes führen kann. Beispiele dafür sind zerbissene Teile von Spielzeugen, Holzstöckchen, Steine, Kauknochen oder andere Kauartikel, sowie Kleidungsstücke, Angelhaken, Nüsse oder auch Haarballen. Besonders gefährlich sind fadenförmige Fremdkörper wie Bänder und Fäden. Ein Fremdkörper kann praktisch in jedem Abschnitt des Verdauungstraktes stecken bleiben, von der Mundhöhle (mit dem Faden unter der Zunge verankert!) und Rachen, über die Speiseröhre, Magen bis zum Dünndarm und seinem Übergang zum Dickdarm. Bei einem vollständigen Darmverschluss kommt es zur Futter- und Flüssigkeitsansammlung vor dem Fremdkörper. Der Druck auf die empfindliche Speiseröhre- oder Darmwand steigt und es kann dadurch zu einer Ruptur kommen. Dies wird durch anhaltendes Erbrechen gefördert. Schwerwiegende Folgen können Entzündungen im Halsbereich, eine Bauchfellentzündung, eine Sepsis und auch der Tod sein.

Darmverschluss anderer Ursache

Neben einer Fremdkörperaufnahme kann es in selteneren Fällen auch durch andere Ursachen zu einem Darmverschluss kommen. Dazu zählen entzündliche Erkrankungen im Bereich der Bauchhöhlenorgane (Magen, Darm, Bauchspeicheldrüse, Leber, Nieren…), Störungen ihrer nervalen Versorgung, sowie Tumorerkrankungen, hochgradiger Wurmbefall (v.a. beim Welpen), starker Durchfall, Elektrolytimbalanzen, starke Schmerzen oder Untertemperatur, die im Extremfall die Darmmotorik hemmen kann. Bei letzterem handelt es sich um einen sogenannten paralytischen Ileus, bei welchem die Darmmotorik stoppt. Der Inhalt wird nicht mehr weiter befördert.

Die Aufnahme eines Fremdkörpers kann leider nicht immer beobachtet werden, daher ist es sehr wichtig, auf die Leitsymptome wie Erbrechen, Mattigkeit und Bauchschmerzen zu achten und bei Verdacht sofort tierärztlichen Rat einzuholen.

Symptome

Zeigt der Hund oder die Katze plötzlich nach der Futer- und Wasseraufahme oder unabhängig davon würgen oder erbrechen, vermehrten Speichelfluss, Mattigkeit und Schwäche oder wird über längere Zeit kein Kot abgesetzt, kann dies ein Hinweis auf einen Darmverschluss sein. Natürlich kann es auch zur Futterverweigerung kommen. Ein Fremdkörper in der Speiseröhre führt zu massivem Würgen und kann durch Druck auf die Luftwege auch eine Atemnnot hervorrufen.

Bei einem Darmverschluss durch eine andere Ursache als die Fremdkörperaufnahme treten die Symptome langsam aber stetig schlimmer werdend auf.

Wurde Ihr Tier bereits medikamentell wegen Erbrechens vorbehandelt und zeigt trotzdem weiterhin Symptome, sollten unbedingt weitere Diagnostikschritte eingeleitet werden.

Diagnose

Nach der allgemeinen klinischen Untersuchung kann in einigen Fällen bereits die Lokalisation des Problems festgestellt werden (Mundhöhle, Halsbereich, Bauchhöhle…). In Abhängigkeit vom Zustand des Patienten kann in weiterer Folge das Setzen eines Venenkatheters und eine Blutuntersuchung notwendig sein. Fast immer werden Röntgenaufnahmen und/oder ein Bauchultraschall durchgeführt. Sollten sich hierbei keine eindeutigen Befunde ergeben, kann die Darstellung des Magen-Darm-Traktes durch ein Kontrastmittel verbessert werden. Dabei wird dem Tier im Wachzustand flüssiges Kontrastmittel eingegeben und innerhalb der nächsten 24 Stunden durch regelmäßige Röntgenaufnahmen die Durchgängigkeit des Darmes überprüft. Sollte ein Passagehindernis vorliegen, geht das Kontrastmittel nicht vollständig bis in den Enddarm durch.

Im Falle eines Fremdkörpers im Speiseröhrenbereich oder im Magen kann eine endoskopische Untersuchung unter Narkose notwendig sein. Hier wird mit einem Gastroskop der Verdauungstrakt bis zum Anfang des Dünndarms untersucht. Bei der Lokalisation des Fremdkörpers in der Speiseröhre oder im Magen kann versucht werden, diesen bei der Untersuchung zu entfernen, eine Verletzungsgefahr für das Tier wird soweit als möglich vermieden.

Konnte trotz aller Untersuchungen ein Darmverschluss nicht sicher ausgeschlossen werden oder besteht bereits der Verdacht auf ein Durchbrechen im Magen-Darm-Trakt, kann eine diagnostische Eröffnung der Bauchhöhle („Probelaparotomie“) notwendig sein. Unter Vollnarkose wird die Bauchhöhle eröffnet, der Magen-Darm-Trakt genau untersucht und nach Fremdkörpern gesucht. Bei Bedarf werden Biopsien aus veränderten Organen entnommen.

Therapie

Konservative Therapie

Abhängig von der bestehenden Ursache wird auch die Therapie entsprechend ausgewählt. Bei ganz kleinen Gegenständen, deren Ursprung womöglich bekannt ist, kann versucht werden, diese durch den Organismus auf natürliche Weise ausscheiden zu lassen. In Absprache mit dem behandelnden Tierarzt kann die Gabe von Sauerkraut Hilfe leisten. Falls die Fremdkörperaufnahme nur kurze Zeit zurückliegt und es sich um keinen scharfkantigen Gegenstand handelt, kann versucht werden das Tier medikamentell erbrechen zu lassen.

Endoskopische Entfernung

Fremdkörper, die im Mund-, Speiseröhren- und Magenbereich lokalisiert sind, können manchmal endoskopisch entfernt werden, ohne den Verdauungstrakt chirurgisch eröffnen zu müssen.

Chirurgische Therapie

Fremdkörper, die sich verschieben lassen, werden nach Eröffnung der Bauchhöhle manuell bis zum Magen zurückmassiert und entweder mit einer Fremdkörperzange über die Speiseröhre herausgezogen oder chirurgisch entwickelt. Manche Fremdkörper müssen chirurgisch aus dem Darm entfernt werden. Falls der Fremdkörper die fragile Darmwand durch den erhöhten Stauungsdruck stark beschädigt hat, muss dieser Teil des Darmes entfernt werden (Darmresektion). Ein fadenförmiger Fremdkörper kann die Darmwand einschneiden, folglich müssen manchmal größere Darmteile genäht oder entfernt werden. Bei Tumoren, die einen Darmverschluss verursachen, wird deren Entfernung versucht.

Seitliche Röntgenaufnahme: Fremdkörper im Darm
Seitliche Röntgenaufnahme: Der Fremdkörper im Darm ist klar ersichtlich
Fremdkörper nach der Operation
Fremdkörper nach der Operation

Prognose

Falls ein Fremdkörper ohne Eröffnung des Verdauungstraktes entfernt werden kann, ist die Prognose sehr gut. Auch nach Eröffnung des Magen-Darm-Traktes ist die Prognose gut, solange keine allzu starken Gewebsschäden vorliegen. Eine Eröffnung des Magens hat ein geringeres Komplikationsrisiko als die Eröffnung des Darmes.  Nach der Operation muss das Tier in jedem Fall für 3 – 5 Tage gut überwacht werden. Dies kann je nach tierärztlicher Indikation entweder in der Klinik oder zu Hause stattfinden.

Ist die Ursache für den Darmverschluss ein Tumor, ist die Prognose davon abhängig, wo sich dieser befindet, ob er chirurgisch entfernt werden kann, um welche Art Tumor es sich handelt und ob er bereits im Körper gestreut hat.

Entzündungen, Elektrolytimbalancen, Untertemperatur und Schmerzen werden entsprechend der Ursache behandelt, die Prognose hängt von der Grunderkrankung ab. Ein Wurmbefall wird durch medikamentelle Entwurmung behandelt und hat eine gute Prognose.

Quellen

  • Nelson RW, Couto CG (2018): Innere Medizin der Kleintiere. Elsevier, 2. ed.
  • Norsworthy GD (2018): The feline Patient. Blackwell Publishing & Sons, Inc. 5. ed.
  • Fossum TW (2013): Small animal surgery. Elsevier, St Louis, 4. ed.

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